Wozu braucht die Wissenschaft eigentlich Supercomputer mit immer höherer Leistung?
Wie Forscher diese Frage beantworten, lässt sich meinem Beitrag in der neuen effzett 3-2020 entnehmen, dem Magazin aus dem Forschungszentrum Jülich.
Hintergrund: Der Jülicher Supercomputer JUWELS hat gleich mehrere Gänge hochgeschaltet. Durch die Inbetriebnahme des Booster-Moduls ist er Europas schnellster Rechner. Das ermöglicht komplexere Simulationen.
Die enorme Leistung des Boosters erlaubt es, noch deutlich größere Probleme zu lösen, also anspruchsvollere Simulationen durchzuführen, als bisher. Simulationen sind ein Eckpfeiler der Forschung, egal ob es um Klima, Energie, Lebenswissenschaften, Umwelt, Materialien oder Technik geht. Sie werden immer komplexer und es fließen immer häufiger große Datenmengen ein oder fallen an. Außerdem werden die Methoden der Künstlichen Intelligenz zunehmend wichtig.
Dr. Dorian Krause, Lieter der Abteilung Hochleistungscomputer-Systeme am Jülich Supercomputing Centre, JSC
Frage: Sind digitale Supercomputer angesichts von Quantenrechnern oder von Rechnern, die nach dem Vorbild des menschlichen Gehirns arbeiten, nicht ein Auslaufmodell?
Krause: Nein, keineswegs. Quantencomputer und neuromorphe Computer sind Gegenstand der Forschung und werden immer stärker zu Forschungsinstrumenten eigener Art werden. Das modulare Supercomputer-System JUWELS ist vorbereitet, unter anderem Quantencomputer zu integrieren, um so hybride Rechnungen zu ermöglichen.
Supercomputer: ein Beispiel für eine konkrete Anwendung
Das Wasser der Erde im Computer
2018 ging in Deutschland als das „Dürrejahr“ in die Geschichte ein. Die Auswirkungen waren in vielen Bereichen zu spüren: Ernteausfälle, Baumsterben, Einschränkungen in der Trinkwasserversorgung und niedrige Pegelstände in den Flüssen, was den Transport von Diesel und anderen Rohstoffen behinderte. Mit einem einzigartigen Computermodell namens Terrestrial System Modeling Platform (TSMP) können Forscher unter anderem prognostizieren, in welcher Zeit und bei welchen Niederschlagsmengen sich die Wasserressourcen von solchen Dürreperioden erholen.
„Unsere Simulationen mit der TSMP brauchen enorme Rechenleistungen, insbesondere wenn es um hohe Auflösung geht: Bis jetzt ist es beispielsweise nicht möglich, solche wertvollen Prognosen über Wasserressourcen individuell für jede landwirtschaftliche Parzelle über ganz Deutschland zu erzeugen – inklusive einer Schätzung, wie unsicher die jeweilige Prognose ist. Mit der neuen Rechenperformance des JUWELS-System wird sich das wohl ändern“, erläutert der Jülicher Agrosphärenforscher Prof. Stefan Kollet.
Genau genommen handelt es sich bei TSMP um mehrere miteinander gekoppelte Computermodelle, die gemeinsam den gesamten Wasserkreislauf in und über Landmassen vom Grundwasser bis hin zur oberen Schicht der Atmosphäre erfassen. Eines dieser Modelle, ParFlow, profitiert besonders vom neuen JUWEL-Booster. ParFlow kann Oberflächen-, Erd- und Grundwasserbewegungen simulieren und dabei menschliche Einflüsse wie Grundwasserförderung oder Bewässerung berücksichtigen. „Mit dem Booster-Modul werden wir erstmals ParFlow-Simulationen für Deutschland und Europa mit der erforderlichen feinen Auflösung beispielsweise von einzelnen Hängen oder Flusskorridoren durchführen können“, so Kollet. ParFlow ist so aufgebaut, dass es auf Grafikprozessoren (GPUs) lauffähig gemacht wurde. Das heißt, das Programm beinhaltet viele rechenintensive Aufgaben, die sich gut in Rechenschritte aufteilen und dann parallel auf den GPUs bearbeiten lassen.
Genau das ist die Stärke des neuen Booster-Moduls: Dank der mehr als 3.700 GPUs in seinen 936 geschickt verknüpften Rechenknoten kann er seine gewaltige Rechenleistung energieeffizient erbringen.
Anders als ParFlow ist das Atmosphärenmodell, das in der TSMP-Plattform verwendet wird, nicht für die GPU-basierte Architektur des Boosters parallelisiert. Dazu müsste eine andere Version des Atmosphärenmodells in TSMP gekoppelt werden, was sehr viel Zeit bräuchte. Daher wird die jetzige Version des Modells auch künftig auf dem JUWELS-Cluster mit seinen herkömmlichen Prozessoren gerechnet werden. Was aber kein Nachteil ist: „Gerade für verschiedene Anforderungen, wie bei den unterschiedlichen Teilmodellen von TSMP, bietet das JUWELS-System mit seiner modularen Cluster-Booster-Architektur die perfekten Voraussetzungen“, sagt Kollet.
Auch in anderen Wissenschaftsbereichen lassen sich Cluster und Booster gemeinsam nutzen – je nach Anforderung in unterschiedlichem Ausmaß. „Die Modularität des JUWELS-Systems ist unsere Antwort auf die zunehmend komplexeren und vielfältigeren Anforderungen der Anwendungscodes an die Supercomputer. Sie passt perfekt zu unserem Anliegen, Rechnerressourcen der europäischen Spitzenklasse für ein breites Spektrum an Anwendungen und Forschungsbereichen anzubieten“, sagt der Leiter des JSC, Prof. Thomas Lippert.