Wasserstoff, der Hoffnungsträger

Deutschland soll beim Wasserstoff zum globalen Vorreiter werden. So sieht es die Nationale Wasserstoffstrategie der Bundesregierung vor. Wasserstoff gilt dabei nicht nur als zentrales Element, damit Deutschland seine Klimaziele bis 2050 erreicht. Er gilt auch als der dringend benötigte Baustein, um Elektrizität, Verkehr, Industrie und Wärmeversorgung zu vernetzen und zu optimieren. Deutschland soll sich international eine Spitzenposition bei Wasserstofftechnologien sichern und damit der deutschen Wirtschaft neue Absatzmärkte eröffnen. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek spricht in Anlehnung an die Raumfahrt sogar vom Aufbau eines „Cape Canaveral des Wasserstoffs“ in Deutschland.

Wasserstoff ist attraktiv, weil sich damit Strom aus erneuerbarer Energie speichern lässt. Denn der grüne Strom wird sehr unstetig erzeugt: Der Wind bläst mal kräftig, manchmal gar nicht. Auch die Sonne scheint nicht immer gleich stark. Überschüssiger Strom, der nicht sofort im Netz benötigt wird, ließe sich nutzen, um Wasserstoff zu erzeugen. „Dieser kann über lange Zeiträume gespeichert und dann genutzt werden, etwa wenn Windstille herrscht“, sagt Prof. Olivier Guillon vom Jülicher Institut für Energie- und Klimaforschung (IEK-1).

Erschienen in der effzett 2-2020, dem Magazin aus dem Forschungszentrum Jülich

Wasserstoff ist allerdings nicht nur wegen seiner Speicherfunktion im Stromnetz wesentlich für die Energiewende. Er bietet einen Ausweg aus einem Dilemma: Es ist nämlich nicht abzusehen, dass jemals alle Flugzeuge, Schiffe und LKW mittels Batterien elektrisch angetrieben werden können. „Wir müssen aber im Verkehrssektor aus der klassischen Versorgung mit Diesel oder Benzin aussteigen, wenn wir in Deutschland 2050 nur noch so viel Treibhausgase in die Atmosphäre ausstoßen wollen, wie wir ihr entnehmen“, sagt Prof. Detlef Stolten, der sich am IEK-3 mit Energiesystemen beschäftigt. Die Lösung könnten Brennstoffzellen sein – klimafreundliche Antriebe, die grünen Wasserstoff nutzen.

Doch damit nicht genug: Wasserstoff kann auch der chemischen Industrie bei einer schwierigen Umstellung helfen. Denn sie ist auf Kohlenstoff-Quellen angewiesen, um etwa Medikamente und Kunststoffe zu produzieren. Solange sie dafür auf Erdöl oder Erdgas zurückgreift, führt dies zu einer schlechten Klimabilanz. „Mit sogenannten Power-to-X-Technologien lassen sich aus grünem Strom Wasserstoff und kohlenstoffhaltige Gase – zum Beispiel aus CO2 – erzeugen. Diese könnten Erdöl und Erdgas ersetzen, um Basischemikalien für die Industrie und flüssige Kraftstoffe etwa für die Luftfahrt produzieren. Auf diese Weise koppelt Wasserstoff die Sektoren Strom, Industrie und Verkehr miteinander“, betont Prof. Rüdiger Eichel, Experte für Elektrochemie am IEK-9.

Wasserstoff den Weg ebnen

Allerdings gilt es, noch einige Hindernisse aus dem Weg zu räumen: Bei der Erzeugung, Speicherung und Nutzung von Wasserstoff wird viel Energie verloren, was die Kosten in die Höhe treibt. Ebenfalls teuer ist die Infrastruktur, um ihn sicher zu transportieren und zu tanken. Zudem gibt es mit manchen Wasserstoff-Technologien bislang kaum Betriebserfahrungen.   

Jülicher Energieforscher arbeiten daran, dem Wasserstoff den Weg zu ebnen. „Dabei verfügen wir über eine umfassende, ganzheitliche Expertise: Sie reicht von der Grundlagenforschung bis zur Anwendung – angefangen von den Materialien, der Elektrochemie, über die Schlüsseltechnologien bis hin zum Systemverständnis, das uns eine technische, gesellschaftliche und wirtschaftliche Bewertung erlaubt“, sagt Olivier Guillon. Das sei in Deutschland einzigartig, so der Werkstoffwissenschaftler. Beste Voraussetzungen also, damit Wasserstoff seine Rolle als Hoffnungsträger tatsächlich erfüllen kann.

Dies ist nur der erste von fünf Teilen zum effzett Titelthema „Der Stoff der Zukunft“, alle von mir geschrieben.

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