Biokraftstoffe II: Stroh statt Soja

Nahrungsmittelkonzerne, Naturschützer und viele Umweltexperten sind den heutigen Biokraftstoffen nicht grün. Wissenschaftler und Investoren setzen derweil auf die zweite Generation von Öko-Sprit.

Erschienen in: bild der wissenschaft 8/2008

259 KILOGRAMM WEIZEN reichen aus, um einen Menschen ein Jahr lang zu ernähren – oder um daraus 100 Liter Bioethanol zu gewinnen. 100 Liter, die im Tank nur rund 66 Litern herkömmlichen Benzins entsprechen. Da liegt die Befürchtung nahe, dass bei angekurbelter Biosprit-Produktion Grundnahrungsmittel teurer werden und die Zahl der Hungernden in den Entwicklungsländern steigt. Es sei „unverantwortlich und moralisch inakzeptabel, dass man enorme Subventionen zahlt, um aus Lebensmitteln Biotreibstoff zu machen“, schimpfte Peter Brabeck, kurz bevor er Anfang April 2008 die Konzernleitung des weltgrößten Nahrungsmittelkonzerns Nestle abgab. Und weiter: „Wenn man 20 Prozent des steigenden Erdölbedarfs mit Biotreibstoffen decken will, wie das geplant ist, dann gibt es nichts mehr zu essen.“

Auch von anderer Seite stehen die Biokraftstoffe unter Beschuss. Lange wurde die simple Botschaft verkündet, Biosprit sei gut für das Weltklima, weil er bei seiner Verbrennung nur so viel Kohlendioxid (CO2) freisetze, wie die Pflanzen während ihres Wachstums aus der Luft aufgenommen haben. Doch nun zeichnen Fachleute ein komplizierteres Bild: Die Herstellung und das Ausbringen von Dünger und Pflanzenschutzmitteln verbrauchen Energie. Während die Pflanzen wachsen, bauen Mikroorganismen im Boden überschüssigen Dünger ab und produzieren Distickstoffoxid -ein Gas, das viel klimaschädlicher ist als CO2. Danach erntet der Bauer die Pflanzen mit dem Traktor und mit Maschinen, die Treibstoff verbrennen und dabei CO2 in die Luft pusten. Schließlich müssen die abgeernteten Pflanzenteile transportiert und weiterverarbeitet werden – auch dabei entstehen Treibhausgase.

Umstrittene Klimabilanz

All das verhagelt die schöne Klimabilanz erheblich. Wie sehr, ist schwer zu messen und stark von den lokalen Gegebenheiten abhängig. Die wissenschaftlichen Studien dazu sind umstritten. Eindeutig negativ ist das Ergebnis für den Agrotreibstoff, wenn für den Anbau der Energiepflanzen Regenwälder abgeholzt werden. Trotz allem stecken unter anderem der Olkonzern BP und Risikokapitalgeber wie Vinod Koshla – vormals Gründer der Computerfirma Sun Microsystems – scheinbar unbeirrt Hunderte von Millionen Dollar in junge amerikanische Start-up-Unternehmen und neue Institute, die Biokraftstoffe erforschen und herstellen. Man könnte meinen, ihr Motto sei: Der Biosprit ist tot, es lebe der Biosprit. Auch der Biochemiker Craig Venter, der einst mit dem Wettstreit um die Entschlüsselung des menschlichen Genoms von sich reden machte, will in dem Geschäft mitmischen. Nicht gerade bescheiden steht im Werbeprospekt seiner neuen Firma Synthetic Genomics: „Wir sind in der einzigartigen Lage, eine biologische industrielle Revolution zu entfachen. Und wir setzen uns voll dafür ein, mittels der Genomik die Tür zu einer sauberen Energiezukunft aufzustoßen.“

Was aber lässt Investoren und Wissenschaftler weiterhin auf Sprit vom Acker setzen? Zum PDF des ganzen Artikels.

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