Energiespeicher-Pläne im Ruhrgebiet

Der Journalist Frank Frick hat die Texte des Schwerpunkts „Zeitenwende im Ruhrgebiet“ in der Februarausgabe von „Deutschlands erstem Wissenschaftsmagazin“ geschrieben.  Er berichtet darin etwa über den ehrgeizigen Plan, nach dem Aus der letzten Steinkohle-Zeche im Ruhrgebiet auf deren Gelände ein unterirdisches Pumpspeicher-Kraftwerk zu errichten. In einem anderen Artikel stellt der Journalist die Wasserstadt Aden vor, die in Bergkamen entsteht. Ihre Bewohner sollen mithilfe von Wasser aus ehemaligen Bergwerken heizen und kühlen.

bild der wissenschaft 2-2018

Hier ein Ausschnitt aus einem der Artikel des Schwerpunktes:

Energie der Marke Prosper-Haniel

Ein Pumpspeicher-Kraftwerk könnte auf dem Gelände eines Bergwerks in Bottrop regenerativ erzeugte Energie speichern.

„Die Chinesen würden gucken – und sie wären beileibe nicht die Einzigen“, ist Ingenieur André Niemann überzeugt, Professor an der Universität Duisburg-Essen. Das Bauwerk, von dem er spricht, wäre tatsächlich weltweit einmalig. Auf den ersten Blick zu erkennen wäre davon allerdings nur ein etwa 100 000 Quadratmeter großer See. Der Rest läge unter der Erde, in Tiefen bis zu 520 Metern.

Der Ort: das Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop. Im Dezember 2018 wird mit seiner Schließung die Zeit zu Ende gehen, in der die Bezeichnung Kohlenpott für das Ruhrgebiet einen Sinn ergab. Dann wird der schwarze Energieträger nicht mehr aus der Erde geholt. Und es könnte mit einem Bauwerk begonnen werden, dessen Planung weit fortgeschritten ist. Es würde helfen, das schwankende Angebot an „grünem“ Strom – mithilfe von Wind oder Sonne erzeugt – an den stets schwankenden Strombedarf anzugleichen. Das „Untertage-Pumpspeicherkraftwerk“ wäre ein perfektes Sinnbild für die deutsche Energiewende. Und zugleich stände es für den Strukturwandel im Ruhrgebiet. Mehr Symbolkraft geht nicht. Was derzeit noch fehlt, um die fertigen Pläne umzusetzen, sind allerdings Investoren.

Zukunft für Strecken und Streben

Die Idee geht auf das Jahr 2010 und ein kleines Team von Umweltwissenschaftlern an der Universität Duisburg-Essen zurück. Nachhaltigkeitsexperte Ulrich Schreiber bedauerte, dass die bergbauliche Infrastruktur – Schächte, Strecken und Streben – nach und nach einfach aufgegeben wurde. Schließlich hätten sie einen perfekten Zugang zur Unterwelt geboten. Als Geologie-Professor dachte Schreiber zunächst daran, diese Infrastruktur zur Nutzung der Erdwärme einzusetzen. Im Gespräch mit den Kollegen vom Institut für Wasserbau und Wasserwirtschaft um André Niemann kamen die Forscher dann auf die Möglichkeit eines unterirdischen Pumpspeicher-Kraftwerks.

Für ein Pumpspeicherkraftwerk braucht man normalerweise zwei Dinge: einen Berg und Wasser. Denn es besteht aus zwei Becken in unterschiedlicher Höhe, verbunden durch Druckrohrleitungen.  Soll elektrischer Strom gespeichert werden, so wird  Wasser vom Untersee in das Oberbecken gepumpt. Wird der Strom benötigt, wird das Wasser bergab zurück ins untere Bassin geleitet. Turbinen und Generatoren verwandeln die Kraft des fallenden Wassers wieder in elektrischen Strom.

Berge – und damit vergleichsweise viele Pumpspeicherkraftwerke – gibt es hierzulande vor allem in Süddeutschland, aber auch in den Nachbarländern Schweiz und Österreich. Für die Oberbecken werden manchmal ganze Berggipfel abgetragen. Oft befinden sich Druckrohre und Maschinen im Inneren eines Berges. Insofern ist der gedankliche Schritt von einem herkömmlichen Pumpspeicherwerk zu einer Anlage in einem Bergwerk nicht sehr groß. Statt Wasser von einer Bergspitze abwärts durch den Berg fließen zu lassen und in ein Talbecken zu leiten, kann man im Prinzip genauso gut Wasser von der Erdoberfläche aus in die Tiefe einer Bergwerksgrube fallen lassen.

1000 Meter Höhendifferenz

Die Schächte in den Bergwerken des Ruhrgebiets reichen in Tiefen bis unter 1000 Meter herab. Zum Vergleich: Die derzeit leistungsstärkste und größte deutsche Pumpspeicher-Anlage Goldisthal (Thüringen) hat eine Fallhöhe von 302 Metern.  Auch die zweite Bedingung für ein Pumpspeicherkraftwerk in einem Bergwerk muss erfüllt sein: viel Wasser. Ständig sickert Regenwasser durch Risse und Klüfte in das Gestein und dringt in die untertägigen Strecken. Dass diese etwa im noch aktiven Bergwerk Prosper-Haniel weitgehend trocken sind und somit überhaupt Steinkohle gefördert werden kann, hat einen einfachen Grund: Es gibt ein Entwässerungssystem mit einem Sammelbecken, aus dem das sogenannte Grubenwasser permanent an die Oberfläche gepumpt wird. Dort wird es über Flüsse abgeleitet.

Reichlich Wasser in Bewegung

Diese „Wasserhaltung“, wie man im Bergbau sagt, ist jedoch nicht auf die letzte aktive Zeche beschränkt. Denn Wasser aus benachbarten stillgelegten Bergwerken würde in die aktive Zeche fließen, weil die Bergwerke des Ruhrgebietes untertage wasserdurchlässig vernetzt sind. Derzeit pumpt die RAG über  60 Millionen Kubikmeter Grubenwasser jährlich an die Oberfläche und leitet es in Lippe, Emscher, Ruhr und Rhein. Mit dieser Menge könnte man ein 50-Meter-Schwimmbecken mehr als 20000 Mal befüllen.

Wenn Prosper-Haniel geschlossen wird, entfällt die Notwendigkeit, die untertägigen Betriebsbereiche trocken zu halten. Trotzdem wird die RAG Grubenwasser aus dem ganzen Ruhrgebiet – belastet mit Salzen und geringen Mengen Chemikalien – an die Oberfläche pumpen, vor allem, um zu verhindern, dass es sich mit sauberem Trinkwasser vermischt. Trinkwasser- und Grundwasservorkommen befinden sich in Gesteinsschichten oberhalb der Hohlräume der Bergwerke, den Grubenbauten. Nach Schließung der Zeche Prosper-Haniel soll das Wasserniveau von 900 auf 600 Meter unter der Oberfläche steigen.

Das heißt: Es gibt ein riesiges Netz aus Wasserwegen tief unter der Erde, bei dem das Wasser vom östlichen Ruhrgebiet in Richtung Rhein ins westliche Revier fließt.  Kurzzeitig haben die Wissenschaftler daran gedacht, dieses Netz zu nutzen: Durch Druckleitungen in Bergwerkschächten ließe sich Wasser aus oberirdischen Gewässern in das unterirdische Grubenwassersystem einleiten. Zusammen mit dem Grubenwasser könnte es dann an einer Pumpstation, die sowieso wegen der Wasserhaltung betrieben werden muss, wieder „gehoben“ werden. wie es im Fachjargon heißt. Das Ergebnis wäre ein System, das einem konventionellen Laufwasserkraftwerk, wie es an vielen Staustufen betrieben wird, ähnlicher ist als einem Pumpspeicher-Kraftwerk. Vorteil der Idee: Man müsste kein spezielles Speicherbecken untertage bauen. Stattdessen würden die untertägigen Hohlräume des Bergwerks genutzt.

Schutz vorm Vermischen

Die Projektpartner prüften, ob dieses Konzept etwa am Standort der damals noch aktiven Zeche Auguste Victoria in Marl anwendbar wäre. Doch der offensichtliche Nachteil des Systems war zu schwerwiegend: Oberflächenwasser und Grubenwasser würden vermischt. Auch die absolute Menge würde steigen. „Das wäre sicher nicht im Sinne des Umwelt- und Gewässerschutzes“, urteilt der Wasserbau-Experte André Niemann.

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Ein geschlossenes System

So entschieden sich die Projektpartner bereits 2013, nur noch Konzepte für ein geschlossenes System weiterzuverfolgen, bei dem der Wasserspeicher von den Hohlräumen unter Tage getrennt ist. Als Standort für ein solches Untertage-Pumpspeicherwerk kam nur die Zeche Prosper-Haniel infrage. Denn die Areale der meisten stillgelegten Zechen werden anderweitig genutzt – die Schächte und Strecken sind verfüllt.

Auch am Standort Prosper-Haniel tickt die Uhr: „Wir sind gesetzlich verpflichtet, Bergwerksanlagen zurückzubauen und standsicher zu machen, sodass sie auch aus der staatlichen Aufsicht – der Bergaufsicht – entlassen werden können“, erläutert Ballewski von der RAG. Unter anderem werden dazu üblicherweise Schächte mit Beton vollgegossen. Es wäre für die RAG AG also mit Kosten verbunden, wenn sie die untertägige Infrastruktur nach der Schließung der Zeche längere Zeit für das Pumpspeicher-Projekt intakt halten würde. Deshalb drängt das Unternehmen darauf, dass die Entscheidung über die Zukunft der Zeche bis Ende des Jahres fällt.

Bis dahin müssen Finanziers gefunden werden, die sich aufgrund der weit entwickelten technischen Planung ernsthaft für einen Pumpspeicher interessieren. Der Bau könnte dann sehr schnell beginnen und – so schätzen die Projektpartner – in sechs bis sieben Jahren abgeschlossen sein. Die RAG schließt es aber auch nicht aus, das Bergwerk noch einige Jahre so zu konservieren, dass es sich später für den Pumpspeicher nutzen  lässt – eine Verhandlungssache mit den möglichen Investoren und Betreibern.

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Etablierte statt spektakuläre Technik

Die Projektpartner, die inzwischen auch vom Bundeswirtschaftsministerium unterstützt werden, entschieden sich gegen eine möglichst hohe Fallhöhe und einen unteren Wasserspeicher in einer Tiefe von 1100 Meter. Das würde zwar der Leistung des Pumpspeicherkraftwerks zugutekommen und wäre besonders spektakulär. Doch bei dieser Tiefe würde auch das nachsickernde Wasser aus dem Gebirge starken Druck auf die Anlage und die Hohlräume ausüben. Zudem benötigte man  mehrstufige Pumpturbinen und weitere Spezialtechnik. „Wir wollen aber, dass sich alles mit etablierter Technologie realisieren lässt. Das einzige Neue soll der Standort sein“, erläutert Niemann.

Daher planen die Projektpartner ein Wasserreservoir in Form eines Speicherrings, 450 bis 470 Meter unter der Erdoberfläche. Die Kavernen für die Maschine sollen 500 bis 530 Meter tief in der Erde errichtet werden. Damit befände sich die gesamte Anlage oberhalb des Grubenwasserstandes, den die RAG bei 600 Metern anstrebt. Es müsste also für das Pumpspeicherkraftwerk nicht zusätzlich Grubenwasser entsorgt und nach oben gepumpt werden.

Der geplante Ringspeicher untertage hat eine Länge von 15,5 Kilometern und einen Rohrdurchmesser von 7 Metern. Damit fasst er 575000 Kubikmeter Wasser. Insgesamt könnte das Pumpspeicher-Kraftwerk eine elektrische Leistung von 200 Megawatt bereitstellen – für etwas mehr als vier Stunden, dann wäre das Oberbecken leer. Die Kapazität der Anlage würde somit ausreichen, um den Stromverbrauch von mehr als 80000 Haushalten für einen Tag abzusichern. Zum Vergleich die Zahlen des Pumpspeicherkraftwerks Goldisthal: Es liefert 1050 Megawatt Leistung über rund 8 Stunden.

Druckrohre in den Schächten

Da das Oberbecken, die Kavernen und der Speicherring neu zu bauen sind, stellt sich die Frage, ob ein solcher Untertage-Pumpspeicher nicht auch auf der grünen Wiese entstehen könnte – und die Zeche nur ihre Symbolkraft beisteuert. Das widersprechen die Projektpartner. Zum einen sollen die Schächte 1 und 2 der Zeche verwendet werden – als Druckrohrleitung und zum Ableiten des erzeugten Stroms. Zum zweiten wäre an Standorten ohne Wasserhaltung der im Gebirge herrschende Wasserdruck ein Problem. Und schließlich müsste man die Informationen über die geologischen Verhältnisse im Untergrund anderswo erst aufwendig erkunden, etwa durch teure und langwierige Bohrungen.

Weit entscheidender ist eine andere Frage:  Rechnen sich für die Geldgeber die kalkulierten Investitionen von etwa einer halben Milliarde Euro? Davon sind laut den Kostenrechnungen der Bochumer Experten für Energiesysteme und Energiewirtschaft rund 230 Millionen Euro durch die untertägige Bauweise bedingt. Wäre es da nicht besser, einen konventionellen Pumpspeicher zu bauen?

„Umweltschützer wenden sich nahezu überall dagegen, Pumpspeicher zu bauen, unter anderem, weil sie Pflanzen und Tiere bedroht sehen. Die Bevölkerung vor Ort protestiert ebenfalls meist gegen die Vorhaben“, sagt Hermann-Josef Wagner. „Dagegen erwarten wir, dass ein Untertage-Pumpspeicher hier im Revier auf dem Areal einer ausgedienten Zeche bei der Bevölkerung auf eine breite Akzeptanz trifft.“

Kein Zeichen für Gegenwind

Wagners Erwartung speist sich unter anderem aus einer repräsentativen Befragung, die das Rhein-Ruhr-Institut für Sozialforschung und Politikberatung 2013 in Oberhausen, Bottrop, Gelsenkirchen, Herne sowie dem Kreis Recklinghausen und Teilen des Kreises Wesel durchgeführt hat. Demnach ist die Bevölkerung dort mehrheitlich positiv gegenüber einem Neubau von Energieanlagen eingestellt, die der Energiewende dienen. Konkret wurde nach Solaranlagen, Windkraftanlagen und Pumpspeicherwerken gefragt. Auch spätere Informationsgespräche der Projektpartner mit Umweltschutz-Verbänden und Städtevertretern lieferten keine Hinweise auf Gegenwind. Das sind ideale Bedingungen für die Projektpartner,  auch auf ein verhältnismäßig einfaches Genehmigungsverfahren hoffen lassen.

 

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